Karten von Montserrat
Aufgrund einer immerhin zweiwöchige
Pause nach dem Japantrip organisierten wir erneut eine
Vulkanreise in die karibische Vulkanwelt. Das Ziel hieß
Soufriere Hills Volcano auf der Insel Montserrat. Nachdem
Marc Szeglat und Chris Weber ab 18.Januar auf der Insel
weilten versuchte Marco, Martin und Richard ab 24. Januar
ihr Glück. Etwa vier Tage später
reiste ich nach, und kehrte am 8.Februar als letzter nach
Deutschland zurück. Diese Verzögerung stellte sich im
Nachhinein als grandioser Glücksfall heraus.
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Knapp dem Schneechaos in München entkommen.
Begrüßungseruption während des Anflugs auf Montserrat
Der weißen Pracht :-( von München mit der
ersten Maschine nach London entkommen, wurden die
nachfolgenden Flüge wegen des starken Schneesturms in Europa
für die nächsten zwei Tage gestrichen. Angekommen in
Montserrat ging’s erst mal zu einem etwas paradiesisch
anmutenden Aussichtpunkt, dem östlich am Rande der Sperrzone
liegenden Jackboy Hill. Vollkommen frei stand nun der auf
1070 Meter angewachsene Dom des Soufriere Hills
Vulkan pompös vor mir.
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Pyroklastische Ströme durchs Tar Valley und an der Nordseite
des Doms
Nach den
vorherigen Berichten von Richard und Martin war mir klar,
dass dies eine meteorologische Ausnahme war. Zudem ging es
bereits munter mit
Pyroklastischen Strömen (kurz PF genannt,
Pyroclastic Flow ) zur Sache. Vom Tar River bis zum Südhang
rasten diese gefürchteten Glutwolken im Stundenrhythmus
durch die Landschaft. Hoch beeindruckend, selbst aus einer
Entfernung von etwa vier Kilometern.
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Frontglühen an den abgehenden Pyros
Während der Nacht konnten die PFs im glühenden
Zustand beobachtet werden. Durch eine sehr kurze
Belichtungszeit und einer lichtstarken Optik bei hoher
ASA- Zahl gelangen Martin fantastische Aufnahmen und
Animationen. Und Sie glühen doch! Die Frage ob diese
herab rasenden Feuerzungen im nächtlichen Dunkel
überhaupt glühend sichtbar sind, konnte mir lange
niemand beantworten. Doch die Bilder zeigen es eindeutig
auf.
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Der ununterbrochen schiebende
andesitische Dom macht sich durch ständige
Steinschlaggeräusche bemerkbar. Man hat das Gefühl, dass im
oberen Bereich ständig umgebaut wird. Zeitrafferaufnahmen
über Tage zeigen deutlich, dass die Form des Domes
sich durch den ständigen Aufwärtsschub der "zähen" Magmasäule
verändert.
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Hat sich nun eine
beträchtliche Masse nach oben geschoben bildet sich durch
die Instabilität am Dom ein Abbruch großer erdheißer
Felsmassen, ein sog. Rockfall. Die glühenden abrollenden
Felsmassen zerschlagen sich und entgasen dabei. Zudem wird
die lockere Hangasche mitgerissen. Folglich entsteht durch
dieses Gas-Staub-Lava-Glutgemisch ein Pyroklastischer Strom welcher 'beim Herabgleiten'
Geschwindigkeiten bis zu 150 m/s (hier etwa 30m/s) erreichen kann und
dadurch immense Kräfte freisetzt. Durch die inneren
Temperaturen von 400C° - 800C° (hier etwa 450C°) wird dazu noch alles was im
Wege steht unter beinahe Sauerstoffabschluss erstickend
verkohlt. Die Dichte in einem PF scheint so enorm zu sein,
dass eine exotherme Reaktion nicht mehr möglich ist.
Auffallend war zu beobachten, das z.B. Bäume durch den
Massendruck erstmal ordentlich entlaubt, der komplette Stamm
mit Geäst sichtlich durch die Hitze angegriffen, aber nicht
verbrannt wird (Holzkohle-Prinzip). Wie ein Mantel, legt
sich die glühende feinstaubige Asche mit Ihrer
erstickenden Funktion um Alles. Wenn Sie mal in den Genuss
kommen direkt in der Nähe einer herab gehenden Glutwolke
zu stehen (Viel Glück!) werden Sie feststellen, wie lautlos
und mit welcher luftigen Leichtigkeit sich diese Massen von
den Hängen abwärts bewegen. Die Kinetik dieser PFs ist so
enorm, dass sogar bis zu 200m ansteigende Hänge vehement
überwunden werden. (Bilder kommen noch). Der Vergleich mit
einem Hovercraft steht sehr nahe. Das Prinzip des Gleitpolsters übernimmt
hier die aufglühende heiße Front (Gase und Glutstaub in
Berührung mit Luftsauerstoff), welche durch das eigene
Überrollen eine auftreibende fast reibungslose Schicht
bildet.
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Glühender Dom
Die Aktivität am Dom
kann innerhalb von einer Woche von Ost nach West wechseln.
Somit besteht keine große Sicherheit welcher Bereich am
Vulkan von PFs gerade malträtiert wird. Im Gegensatz zum
normalen 'Domgeschiebe' können auch Explosionen
Pyroklastische Ströme auslösen.
Aktivität die Tage davor
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Explosion am 5. Februar
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So, da stand ich nun wieder
auf dem Balkon des
Montserrat Volcano Observatory (MVO), und wusste
eigentlich gar nicht so recht was ich mit dem letzten
Montserrat-Tag anfangen sollte. Heiß war's eh, und irgendwie
recht fad. Gut, versuche ich halt noch ein paar Animationen
hinzubekommen, oder vielleicht filme ich das Belham Valley
mit den Spuren von vergangenen
Pyroklastischen Strömen. Seit
etwa 1:35 pm konnte ich jedoch am Dom erhöhten Ascheausstoß
beobachten, welcher aber während der vergangenen Tagen
mehrmals zu beobachten war. Kein Grund zur Annahme, dass
sich in wenigen Minuten alles rapide ändern würde. 13:49:
Ich guckte gerade zufällig in die Richtung des Domes, als
ohne Ankündigung aus der Aschesäule fünf beachtliche
tiefschwarze Aschesperre herausschossen. Wow! Lautlos türmte
sich in Sekunden eine Asche/-Bimssteinsäule auf etwa 1000
Meter auf, welche wiederum in sich zusammensackte. Das
zurückstürzende Material krachte auf den Dom und löste einen
in westliche Richtung abgehenden mächtigen
Pyroklastischen
Strom aus. Sehr interessant war, das der bisherige Vorgang
fast lautlos
und ohne den zu vermutenden
vulkanischen Lärm vor sich ging.
tb
Etwa 7-8 Kilometer türmt sich die Aschewolke auf
Nun kam Hektik auf. Am
Observatorium herrschte eine gewisse Nervosität. Alles
rannte quer durcheinander, der Direktor schrie die restliche
MVO-Mannschaft aus dem Haus. Explosion, an explosion is
going on....! Ich rannte zur Videokamera und wünschte mir um
gleichzeitig meinen Fotoapparat zu bedienen, sehnlichst noch zwei Arme dazu. Der Wunsch
wurde nicht erfüllt, und so musste ich wie gewohnt mit meinen zwei
Händen auskommen und irgendwie die Kameras positionieren.
Bloß jetzt
keinen Fehler machen!
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Pyroklastischer Strom erreicht das Meer
Gebannt
starrten alle auf das graue Monster welches komplett in der
Asche zu versinken drohte. Nun raste auch mit einer
gewaltigen Geschwindigkeit der PF über die gesamte Breite
des westlichen Hanges und verschwand erstmal hinter St.
Georges Hill. Weitere PFs gingen am nördlichen Hang herab.
Alles schien nun in seiner Dimension auszuarten, und selbst
aus etwa 4,5 Km Entfernung wurde es allen irgendwie
unwohl. Keiner wusste, was passiert als nächstes.
tb
Die Aschewolke stieg auf
etwa fünf km vor uns empor und erreichte am Ende etwa
acht km. Klammheimlich tauchte auch wieder der PF hinter
dem St. Georges Hill auf, und bahnte sich seinen Weg
schonungslos über Plymouth und Aymers Ghaut ins Meer.
Unmittelbar nach Kontakt mit dem Meerwasser stieg eine
gewaltige Aschedampfwolke empor. Im Vergleich mit den
bereits geräumten Häusern von Plymouth wurde einem die
Dimension und zerstörerische Kraft eines
Pyroklastische
Stromes
bewusst.
tb
Übersetzter Originalbericht vom
5.Februar,
Montserrat Volcano Observatory (MVO)
Um1:49 pm am 5. Feb 2010 ereignete sich eine
vulkanische Explosion am Soufriere Hills Vulkan
Das Event
dauerte
7
Minuten und sendete hauptsächlich im Westen des Vulkans
Pyroklastische Ströme aus welche schnell Plymouth
erreichten und sich etwa 500 Meter über das Meer
ausweiteten. Vereinzelte PFs liefen bis zu 2km über das
Meer aus. Einige PFs verliefen über
Tyers Ghaut
nordwestlich und einige über
Whites Ghaut
nordöstlich. Plume stieg schnell auf 21,000ft (7km) was
von Piloten bestätigt wurde. Lapilliregen konnte in den
bewohnten Regionen durch die Ostwindlage nicht
beobachtet werden. Vorausgegangen war normaler
Ascheausstoß, das Event ist dem ansteigenden
Zyklus zuzuordnen.
tb
Der Beginn der Explosion in einer Abfolge
zusammen mit den Seismischen Aufzeichnungen. Die
Amplitude hat sichtbar ein wenig Platzbedarf auf
dem Papier. (rechts, mit freundlicher
Genehmigung der
MVO) |
Wenn man alle Parameter
in Betracht zieht,
die für eine erfolgreiche Beobachtung richtig
gesetzt werden müssen, wird
einem Angst und Bange. Tipp: Deswegen vorsorglich kiloweise Kerzen stiften gehen.
-
der
Ausbruch sollte tagsüber sein
-
auf der richtigen Seite der Insel sollte
man stehen
-
das Wetter muss stimmen (Dom ist normaler
Weise 80% in Wolken)
-
der Wind sollte wegen der Aschefahne
richtig stehen
-
die Kameras müssen
aufgebaut sein (mit vollen Akkus und CF-Karten!) und man
sollte auf beim Video auf 'Rekord' drücken
-
zu guter Letzt, man
sollte einfach in diesen 7 Minuten Vorort sein, und
nicht gerade beim Essen, Einkaufen, Pennen und und.....
tb
Am Ende des Regenbogens... steht das MVO. Eine Wegweisung?
DOM KOLLAPS am 10. February2010
Veränderung der
Vulkanlandschaft und Verwüstung des 'Harris' Gebietes.
Die Satellitenbilder der NASA
zeigen die Veränderung der Landschaft um den Soufriere
Hills Vulkan vor und nach der Aktivitätsperiode 2009/2010.
Die Wege der neuen
Pyroklastischen Ströme sind klar zu
erkennen.
Alle
Satellitenbilder von
gs
Das große Finale der Aktivität 2009/2010 wurde durch
einen Dom Kollaps ausgelöst. Das bedeutet soviel, dass der
Krater durch sein gesamt rasches Wachstum an der Nordseite
extrem instabil wurde
und das Material zum Teil in sich zusammensackte. Ein
großer Teil der Masse brach dennoch über
die nördliche Flanke ab und verwüstete als
Pyroclastischer
Strom die bereits verlassene Gebiete um Harris, Streatham,
Bramble airport und Spanish Point.
(
Map). Weitere PFs gingen auch im Tar
valley nieder.
gs
Die Bilder aus dem Helicopter
von Greg Scott zeigen die Spuren der Verwüstung um
Harris/Streatham. Durch die Gewalt des PFs wurden die Bäume
nicht nur abgeknickt sondern gleich buchstäblich abgerissen
und einige Kilometer weiter befördert. Nur noch komplett
zerstörte Gebäude in diesem Gebiet
(bereits verlassen) erinnern
als stille Zeugen an diese gewaltige vulkanische Attacke.
Auf dem linken Bild ist zu erkennen, dass selbst der erste
Hügel spielend überwunden wurde. Noch zwei Kilometer
dahinter wurde der Wald komplett zerstört. Irgendwie blöd,
wenn man gerade beim Spaziergang ist :-(
gs tb
gs
Nimmt man als Vergleich
die Landschaft wie zum Beispiel das Belham Tal welches der
damaligen
Gegend nördlich des Vulkanes glich, wird einem schnell
bewusst welch eine zerstörerische Kraft hinter so einem
Pyroclastischen Strom steckt.
tb
gs
tb
gs
Wieder im Vergleich der
alte Bramble Flughafen und Spanish Point vor und nach dem
Pyro Angriff. Die Alles überdeckende Bimsteinschicht maß bis
zu 15 Meter.
Heli Photos mit
freundlicher Genehmigung von Greg Scott (gs),
Caribbean
Helicopters.
Pyroklastik-Land, 1996 - 2010
Nachdem der Zugang in das
Sperrgebiet (eh nicht erlaubt!) wegen den derzeitigen
Aktivitäten womöglich tödlich enden kann, ermöglicht eine
Bootsfahrt gute Ein- und Überblicke in die vom Vulkan mit
Vehemenz malträtierte westliche Region zwischen Plymouth und
St. Patricks.
Mit etwas Glück kann vom Meer aus ein zu Tal
rauschender PF durch die einst malerisch anmutende Aymers
Ghaut Flußsenke beobachtet werden. Tipp: Tele mitnehmen und den Mindestabstand von
2-3 km zur Küste einhalten (siehe PF am 5.Februar).
Boote können im Hafen von St. Johns ausgeliehen werden.
Personenpreis 60-80U$.
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tb
Die ehemalige Flußsenke Aymers Ghaut wird
regelmäßig heimgesucht
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Herannahende PFs (Tele bis zu 500 mm).
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Region um Plymouth vom Boot aus gesehen
Der Vorgang eines herannahenden
Pyroklastischen
Stromes hinter dieser Geisterstadt-Kulisse in Verbindung mit
den Aschewolken des hochaktiven Vulkan lässt die damalige
Bedrohung wieder aufleben, ist gewaltig und echt, wirkt wie
nachgestellt und es erschleicht einen unaufhörlich das
Gefühl, hier wurde soeben die Uhr wieder auf 1996, die
Jahreszahl des beginnenden Untergangs dieser Region,
zurückgedreht.
tb
tb
Spuren der neuen
Zerstörungen heben sich erkennbar von den Eruptionsrelikten
von 1996 bis
2006 des Soufriere Hills Vulkan ab.
Deutlich gekennzeichnet und von den
momentanen Aktivitäten
in Mitleidenschaft gezogen, unterwirft sich das Paradies
dem geduldig expandierenden
und feindselig wirkenden Pyroklastik-Land. Was
diese Glutströme nicht schaffen erledigen abgehende Lahars
wobei mitgerissenen Felsen die Symbolik von Mühlsteinen tragen. Pompeji
auf Raten, langsam holt
sich der Vulkan sein Land wieder zurück und erschafft im
Sinne des Werden und Vergehens vielleicht ein neues
Paradies.
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